Mini-Serie von Recruiting Ladies Insight
Team-Branding im Recruiting – was ist das, und wofür soll das gut sein? Darüber sprechen die Personalberaterinnen Viktoria Balensiefen, ideale Personalberatung, und Nicole Döhrmann, Recruiting-Strategien, mit Fatou Diakité, hrspecs., die das Interview gekonnt moderiert und dem Thema zu einer ganzheitlichen Betrachtung verhilft.
Fatou Diakité: Herzlichen Willkommen! In unserem letzten Fachaustausch hatten wir intensiv zum Thema Employer Branding diskutiert. Nicole stellte dann fest: Das ist ja schön und gut. Aktuell arbeite ich mit einem Kunden mit vielen unterschiedlichen Teams. Eigentlich müsste man hier über „Team Branding“ statt über „Employer Branding“ sprechen!
Wir drei fanden diesen Ansatzpunkt so interessant, dass wir heute hierzu noch einmal detaillierter sprechen wollten.
Das Thema Employer Branding ist in aller Munde. Aufgrund des Fachkräftemangels ist Employer Branding für viele Unternehmen wichtig, um sich als Arbeitgeber nach außen als attraktiv und glaubwürdig darzustellen, und um eine gewisse Anzahl von Kandidat:innen oder Interessent:innen anzuziehen. Was bedeutet Employer Branding für Euch?
Nicole Döhrmann: Employer Branding heißt für mich, dass ein Unternehmen zeigt, wie es aufgestellt ist, wie es das Thema Führung und Miteinander sieht. Schaut man sich die Unternehmensseiten der einschlägigen und großen Unternehmen an, dann sehen die mehr oder weniger alle gleich aus: Es gibt eine dicke Überschrift und übersetzt steht da: „Wir sind toll!“. Dann folgt vielleicht noch, was das Unternehmen im Einzelnen ausmacht. Danach finden wir Stellenanzeigen, oft ein Sammelsurium von Benefits und eventuell noch Unternehmenswerte sowie Fotos von Unternehmensevents. Also viele Informationen, die für möglichst alle potenziellen künftigen Mitarbeitenden passen sollen.
Für mich bleibt bei diesem sehr generalistischen Ansatz nur ein diffuses Bild und es fühlt sich niemand so wirklich angesprochen. Das ist natürlich überhaupt nicht das Ziel von Employer Branding, aber das ist mein persönlicher Eindruck.
Viktoria Balensiefen: Ich möchte Nicole gerne ergänzen. Die Idee des Employer Branding kommt ja aus dem Marketing. Das Wort „Branding“ bedeutet, den Kern, die DNA, den Marken-Kern bzw. den Werte-Kern zu definieren und zu benennen. Es ist der Nukleus, die gemeinsame Klammer und die große Linie.
Der Marken-Kern steht für das eigene Selbstverständnis. Und das wirkt zum einen nach innen, z.B. wie wird Führung erwartet und verstanden, wie ist die interne Kommunikation und das Miteinander.
Nach außen hin stellt es für die Bewerber:innen idealerweise eine Erkennbarkeit, Sichtbarkeit und Klarheit dar: mit was für einem Typ Unternehmen habe ich es hier zu tun.
Und ich glaube, dass Employer Branding bei kleineren Firmen, bei Mittelständlern völlig ausreichen kann. Z.B. bei einer Kfz-Werkstatt, einer Zahnarztpraxis oder der Rechtsanwaltskanzlei.
Schwierig finde ich Employer Branding, wenn das Unternehmen sehr groß ist, und viele Unter-Abteilungen oder sogar Töchter hat. Bei einem Konzern kann Employer Branding meiner Meinung nur noch eine grobe Leitlinie sein. Als große Klammer kann es nur noch eine grobe Richtung angeben. Wenn ich an Unternehmen wie die Deutsche Bahn, Douglas oder SAP denke, dann strahlt das Employer Branding meiner Meinung nicht mehr so weit auf den einzelnen Menschen – eben weil es als Selbstverständnis für 10.000 Mitarbeitende gelten soll. Meiner Meinung nach wird Employer Branding als große Klammer dann schnell „ausgeleiert“ und worthülsig.
Team Branding schließt für mich die Lücke. Es ist erkennbar: das ist der Bereich Marketing, dies ist Software-Development und hier sind die Logistiker. Mit Team Branding kann ich klar das einzelne Team mit seinen Besonderheiten und Werten darstellen, ich kann es positionieren innerhalb der großen Klammer Employer Branding.
In Abgrenzung dazu sehe ich Personal Branding, bei dem Einzelpersonen als sehr sichtbare Stars herausstechen. Hier kommt es sehr auf die Dosis an. Ein Beispiel: Trigema ist Wolfgang Krupp. Bei der Strahlkraft dieser Personenmarke haben nur noch wenige andere Personen Platz, um sichtbar zu sein, zu leuchten und erkennbar zu sein.
Wir können es auf Fußball übertragen am Beispiel FC Bayern München. Da gibt es einmal die AG, da ist das Employer Branding. Dann gibt es darunter einzelne Teams, z.B. die Mannschaft, die Trainer, die Therapeuten. Und dann gibt es Personal Branding der einzelnen Stars wie z.B. Thomas Müller. Die Abwägung zu finden zwischen Employer Branding, Team Branding und Personal Branding, ist eine große Herausforderung.
Team-Branding als pragmatischer Lückenschluss
zwischen Personal Branding und Employer Branding
Fatou: Spannende Ausführung und Gedanken von euch beiden. Warum sollten wir Recruiter und Personalberaterinnen diese Gedanken bei unseren Kunden klar und dezidiert ansprechen? Was meint ihr dazu?
Nicole: Im Produktmarketing ist es vollkommen logisch, dass die Werbung für Tiernahrung komplett anders konzipiert wird als für E-Autos. Eben weil ich komplett verschiedene Produkte, Nutzen und Zielgruppen habe. Selbst wenn ich Menschen anspreche, die sowohl Tiernahrungsbedarf haben als auch den Führerschein, funktioniert die Werbung unterschiedlich.
Viktoria: Konzerne wie Nestlé machen ja auch nicht nur Werbung für das Unternehmen Nestlé. Neben dem Corporate Branding für Nestlé werben sie sehr zielgruppen- orientiert für die einzelnen Produkt-Marken wie Kitkat, Maggi oder Wagner Pizza. Es käme keiner auf die Idee, für all die unterschiedlichen Marken identische Kampagnen zu benutzen. Im Gegenteil: es wird klar differenziert und sowohl Marken- als auch Zielgruppen-spezifisch konzipiert.
Interessant ist, dass wir diesen Ansatz im Recruiting bisher nicht sehen. Hier soll bei großen Unternehmen ein breit angelegtes Employer Branding für alle Menschen im Unternehmen passen. Das kann nicht funktionieren und deshalb bleibt für mich Employer Branding so oft diffus. Die Kolleg:innen aus dem Vertrieb ticken doch ganz anders als die IT-Mannschaft.
Fatou: Stimmt, das sind komplett unterschiedliche Typen und Candidate Personas! Im Research und Recruiting berücksichtigen wir das ja sehr explizit! Ohne Differenzierung kämen wir einfach nicht sehr weit!
Wie seid ihr beide eigentlich auf das Thema Team Branding gekommen? Denn wir erleben ja die Stars, die Solitäre – und auch das Employer Branding. Ehrlich gesagt, hatte ich vorher noch nie drüber nachgedacht. Bei vorbereitenden Recherchen zu diesem Interview habe ich auch keine Definitionen dazu gefunden.
Viktoria: Mir ist das in den letzten Recruiting-Projekten für Software-Entwicklungs-Teams immer präsenter geworden. Nicole hatte parallel ein großes Recruiting-Projekt mit einem großen Kölner Medien-Unternehmen und ähnliche Voraussetzungen im Fachbereich. Bei unserem monatlichen Austausch fanden wir zusammen mit „Team Branding“ genau den richtigen den Begriff dafür.
Team-Branding – und wer macht das dann?
Fatou: Wie können Unternehmen diese Idee dann einfach umsetzen? Viele tun sich vielleicht eh schon schwer mit Employer Branding und Personal Branding. Jetzt noch Team Branding … was würdet ihr hier empfehlen?
Nicole: Employer Branding wird in der Regel von der HR-Abteilung betrieben, manchmal zusammen mit Marketing. Wenn die Teams selber aktiv werden sollen und dürfen, könnte z.B. ein „interner Marketing-Spezialist“ aus der Marketingabteilung sowohl mit HR als auch den Fachabteilungen zu diesem Thema zusammenarbeiten, und somit eng dran bleiben. Meiner Einschätzung nach schaffen es viele Teams ohne Support von Marketing und HR nicht auf Dauer. Und es kann auch nicht Aufgabe von HR sein, dieses Thema alleine zu betreuen.
Viktoria: Ich erlebe gerade in zwei Projekten intensiv, wie sich die Fachbereiche durch den Markt-Zwang fast von alleine bewegen. Sie bekommen deutlich weniger Bewerbungen und wollen bzw. müssen das dringend für sich ändern. Dabei lösen sie sich teils sowohl von der Anspruchshaltung gegenüber potenziellen Bewerbenden als auch von der Serviceerwartung an HR.
Genau das habe ich gerade gestern im Gespräch mit einem Leiter IT besprochen, der bisher digital weder präsent noch aktiv ist. Er kam fast von alleine auf die Idee, sich selbst und sein Team stärker einzubringen in die Suche nach Mitarbeitenden. Sein O-Ton: „so geht das nicht weiter, da muss ich wohl hier selbst aktiv werden.“ Er will und muss sich zeigen und sein Team präsentieren, also „vermarkten“, was er bisher nicht gemacht hat. Er fühlt sich nicht wirklich wohl dabei, und ihm fehlen eigentlich sowohl Ideen, die Sparringpartner im Haus und auch Handwerkzeug.
Gerade an diesem Beispiel sehe ich deutlich, dass die HR-Mitarbeitenden sehr wenig KnowHow zu Marketing haben. Ganz klar also: HR braucht das Marketing als internen Sparring-Partner. Und ausreichend Ressourcen sowie Budget!
Fatou: Genau das ist ja die Schwierigkeit beim Branding. Viele Menschen fühlen sich nicht wohl, sichtbar auf Social Media aufzutreten. Und sie wissen auch oft nicht, mit welchen Inhalten sie sich zeigen könnten. Eine Lösung könnte sicher sein, im Team rauszuhören, ob es eine Person gibt, die sich damit auskennt und sich sogar wohl damit fühlt. Und was heißt denn überhaupt, sichtbar zu werden, was darf und will ich denn von mir zeigen. Und was muss ich zeigen, damit es für die andere Person erlebbar ist, damit diese sagen kann, ja super, ich fühle da jetzt genau den Spirit des Teams.
Wie erlebt ihr das? Habt ihr das Gefühl, dass sichtbar sein und sichtbar werden einfach ist? Oder lesen 95% nur mit, was 5% Content Creator veröffentlichen?
Nicole: Genau dafür ist es sinnvoll, wenn ein Fachexperte aus der Marketingabteilung den Fachbereich an die Hand nimmt, denn das gibt Sicherheit. Und es ist auch davon abhängig, ob die Unternehmen den zeitlichen Freiraum dafür ermöglichen. Machen wir uns doch nichts vor, es kostet viel Zeit. Wenn ich aber schon 120% meiner Zeit mit dem Tagesgeschäft verplant bin, dann werde ich vermutlich nicht noch obendrauf Zeit für Social Media planen und mir coole Posts überlegen – auch ohne „Social Media Gedöns“ bin ich mit 60 Wochenstunden satt.
Fatou: Stimmt, Ressourcen ist ein wichtiger Punkt. Und Know-How-Support, vor allem, wenn ich nicht weiß, wie es geht.
Nicole: Viele Menschen tun sich leicht, eine Stellenanzeige zu posten im Sinne von „hey, wir suchen noch jemanden fürs Team und hier ist der Link zur Stellenanzeige.“ Das ist auch nicht das, was wir unter Team Branding verstehen. Und mit tieferen Einblicken tun sich die Menschen verständlicherweise schwerer.
Ich meine, für Team Branding muss ein Unternehmen erst mal die Rahmenbedingungen schaffen. Mit Zeit. Und mit fachlichem Support aus dem Marketing: Mit jemandem, der an meiner Seite ist, der noch ein Auge darauf hat oder Ideen mit reinbringt.
Viktoria: Ich sehe noch weitere Aspekte bei dem Thema: wenn ich mich über Team Branding mit meinem Team austausche, gewinne ich ja mehr als nur Sichtbarkeit für das Team. Ich erkenne, wie ist das Selbstverständnis von uns als Team. D.h es stärkt nach innen den Teamzusammenhalt, die Kooperationsbereitschaft, es kann die Halteraten der Team-Mitglieder erhöhen, weil ein besseres Miteinander vorhanden ist. Ich habe Vokabeln, um mein Team, meinen Impact zu beschreiben. Ich kann Werkstolz für mich und für mein Team entwickeln. Und das Team kann als starke Einheit auch nach Innen auftreten.
Fatou: Spannender Aspekt, die Einigung und Stärkung nach Innen für das Team! Ich sehe das gerade bei meinem Kunden, wo ich das Tech Recruiting unterstütze, und jede:r andere Recruiter:in den eigenen Fachbereich hat. Wir achten jetzt stärker darauf, dass wir zusammen als „Team Talent“ agieren und Unternehmens-intern eine starke Stimme entwickeln. Obwohl wir dezentral arbeiten, fühlen wir uns zugehörig, und können dann gemeinsam die Prozesse schärfen für unsere Ansprechpartner in den Fachabteilungen. Damit sprechen wir dann also auch nach außen mit einer Stimme.
Team Branding kann in einem umkämpften Markt, in dem Arbeitskräfte immer knapper werden, ein entscheidender Vorteil sein: das Unternehmen kann sich und das einzelne Team klar und deutlich präsentieren und positionieren. Und es kann sich durch die bessere Sichtbarkeit und Erkennbarkeit ganz klar von anderen unterscheiden. Ein echter Pluspunkt für Bewerber.
„Recruiting Ladies Insights“ ist der regelmäßige Fachaustausch der drei Expertinnen, bei dem neue Recruiting-Trends, Branchen-Entwicklungen und Fach-Knowhow diskutiert und eingeordnet werden. Das ganze bei einer guten Tasse Kaffee, virtuell – und vor allem mit viel Spaß!
Viktoria Balensiefen
ideale Personalberatung
Viktoria A. Balensiefen ist seit fast 15 Jahren in der Personalberatung von Fach- und Führungskräften tätig. Menschen zusammen zu bringen, um gemeinsam Größeres zu schaffen, ist ihre Leidenschaft. Als Betriebswirtin mit Ingenieurstudium hat sie ein Auge auf Zahlen und Prozesse – und ein großes Faible für produzierende Unternehmen. Sie ist Geschäftsführerin der ideale Personalberatung GmbH in Bonn.
Nicole Döhrmann
Recruiting Strategien
Nicole Döhrmann ist seit über 10 Jahren leidenschaftliche Recruiterin, liebt Recruitment-Prozesse für schnelle Entscheidungswege mit exzellenter Candidate Experience und bietet kurzweilige Trainings mit Aha-Effekt. Für Unternehmen vom kleinen IT-Systemhaus bis zu Konzernen aus der Finanz- und Medienbranche sowie aus der Beratungswelt geht sie die Extrameile im Recruitment. Ihre Devise: “Menschen verbringen den größten Teil ihres Lebens mit Arbeit. Sorgen wir dafür, dass es ein großartiger Teil wird.“
Fatoumata Diakité
hrspecs.
Fatou Diakité ist Diplom-Kauffrau und seit 2007 in der Personalberatung tätig. Im April 2018 hat sie sich unter dem Label hrspecs. als Recruiterin mit dem Fokus auf Active Sourcing selbständig gemacht und begleitet kleine und mittelständische Unternehmen bei der Personalgewinnung. Dabei taucht sie in die individuelle Unternehmenskultur ein und findet so gezielt Talente, die sowohl fachlich als auch persönlich passen. Ein wertschätzender und offener Umgang spielt für sie eine entscheidende Rolle in allen Phasen des Talent Acquisition Prozesses.