Auch Mittelständler können vom Grundgedanken des Diversity-Recruiting profitieren. Und damit im Recruiting wieder erfolgreicher werden. Vor allem in ländlichen Regionen, an „schwierigen Standorten“ oder mit interessanten Konzernen „nebenan“. Denn mit breiterer Brille rekrutiert es sich besser!
Mit „Diversity“ kommt nach der Frauenquote und Gendersternchen das nächste „Bullshit-Bingo-Wort“ ins Recruiting. Konzerne diskutieren auf schönstem akademischen Theorie-Niveau und entwickeln zauberhafte Strategien. Hört sich wenig Praxis-orientiert an, oder?!
Ist Diversity für Mittelständler nur unnützer Konzern-Hype? Oder ist an dem Grundgedanken doch etwas Sinnvolles dran? Vor allem: wie können mittelständische Unternehmen mit einem Diversity-Ansatz ihr Recruiting erfolgreich auf ein neues Level heben. Handfest und umsetzungs-orientiert, ohne Theorie-Gedöns oder Strategie-Geschwätz.
Sie meinen, das ist Berater-Blabla? Das geht nicht? Doch, das geht garantiert. Ich weiß es, denn als Personalberaterin arbeite ich am liebsten mit den unmöglichen Herausforderungen. Und löse diese sehr erfolgreich (fragen Sie meine Kunden 😉).
In diesem Blog-Artikel finden Sie eine einfache Schritt-für-Schritt-Anleitung – probieren Sie es einfach aus!
Diversity – was ist das genau?
Diversity kann man mit „Diversität“, also mit Vielfalt, übersetzen. Übertragen auf die Mitarbeitenden in Unternehmen, bedeutet dies ganz schlicht: wir haben eine riesige Bandbreite an unterschiedlichen Personen, Lebensläufen und Lebensmodellen. Und nicht immer nur „den typischen mittelalten weißen Mann“.
Dabei kann man verschiedene Kriterien, die sogenannten „Diversity Dimensionen“ oder „Diversity Faktoren“ finden. Typische Kriterien sind z.B. Religion, Hautfarbe, Geschlecht oder Alter. Einige Kern-Faktoren wie Herkunftsfamilie oder Geschlecht bleiben relativ stabil, verändern sich also vermutlich nicht (oder nur langsam). Andere Faktoren wie Familienstand oder Hobbies können sich (relativ schnell und/oder öfter) ändern.
Diversity – welche Vorteile und Nutzen bringt es meinem Unternehmen?
Hier würde ich zwei Ebenen unterscheiden:
- Die Ebene „Kunden“, also Vertrieb
- Die Ebene „Mitarbeitende“, also Personal und Recruiting
Kunden: In den meisten Branchen sind die Entscheider auf der Einkaufsseite ebenfalls diverser geworden.
Im B2B-Umfeld ist der Einkauf ca. 40% mit Frauen besetzt. Hier bietet sich also direkt an, kein rein männliches Vertriebs-Team dagegen zu stellen. Übrigens: Die bessere Mischung Männer/Frauen im Einkauf rechnet sich für die Unternehmen massiv. Bei einer Frauenquote von 40 – 50% sparen die Unternehmen im Schnitt 5,7% pro Jahr auf das gesamte Einkaufsbudget.
Im B2C-Umfeld treffen häufig die Frauen die finale Kaufentscheidung. Sowohl für sich selbst als auch in Partnerschaften. Dies gilt insbesondere bei hochpreisigen Einmal-Investitionen wie Haus- und Immobilienkauf sowie Autokauf. Es macht also Sinn, auch hier die Vielfalt auf der Einkäufer-Seite im Vertrieb zu spiegeln, in dem der Vertrieb nicht rein männlich besetzt ist. Die Versicherungsvertriebs-Studie der TH Köln beweist, wie wichtig den Kunden die soziodemographischen Ähnlichkeiten sind wie z.B. ähnliche Herkunft/Nationalität.
Übrigens: im B2B-Vertrieb sind Frauen erfolgreicher und erreichen ca. 86% der Ziele, während Männer bei rund 78% Zielerreichung landen. Auch die eher konservative Versicherungswirtschaft erkennt, dass Frauen im Vertrieb langfristig deutlich erfolgreicher sind.
Mitarbeitende:
Die Vorteile einer vielfältigen Belegschaft zeigen sich auf den unterschiedlichsten Ebenen.
Gemischte arbeiten Teams erfolgreicher: sie wirtschaften besser, haben eine bessere Arbeitsatmosphäre, geringere Krankenstände und entwickeln Unternehmen auch in Krisen erfolgreicher. Eine divers zusammengestellte Führungsebene kommt mit ihren Teams besser bei Veränderungen zurecht.
Auch im Recruiting hat Diversität den enormen Vorteil, dass der Pool an potenziellen Kandidaten größer werden kann, weil mit breiterer Brille geschaut wird. Dazu kommt, dass ein divers aufgestelltes Recruiting-Team weniger Vorbehalte bei vermeintlich nicht-passenden Bewerbern hat.
Neue Mitarbeitende können anhand von diversen Identifikationsfiguren schneller stabil im Unternehmen verwurzeln, und auch auf der persönlichen Ebene schnell andocken.
Und wie klappt das jetzt mit dem Diversity-Recruiting auch für kleine und mittelständische Unternehmen?
Voilà, hier sind die fünf wichtigsten Schritte für Sie.
1. Status quo: Diversity – wo stehen Sie da eigentlich?
Auch in kleinen Unternehmen gibt es Diversity. Glauben Sie nicht? Dann zählen Sie einfach mal nach diesen fünf Kriterien:
- Anzahl der Mitarbeitenden in verschiedenen Altersklassen
- Ausbildungs-Vielfalt: welche verschiedenen Ausbildungsstufen und Bildungswege haben Ihre Mitarbeitenden?
- Anzahl bzw. Anteil Männer versus Frauen, und das je Ebene bis hoch zur Führungs-Ebene
- Welche verschiedenen christliche und weitere Religionen findet man unter den Mitarbeitenden?
- Nationalitäten: welche Nationalitäten und damit einhergehend gesprochenen Sprachen findet man in Ihrem Unternehmen?
Garantiert finden Sie anhand dieser fünf Punkte schon eine Menge Vielfalt! Vermutlich war es Ihnen nur noch gar nicht bewusst.
2. Stellenprofile und Candidate Persona: ohne Scheuklappen breiter denken
Betrachten Sie nun die offenen Stellen, die Sie möglichst schnell besetzen wollen. Wie sieht der Wunsch-Kandidat hierfür aus, was bringt er mit, was kann er, wo finden Sie ihn? Diese Überlegungen stellen Sie vermutlich immer an für Ihre offenen Positionen.
Und jetzt denken Sie das Ganze noch mal von vorne und vor allem breiter. Überlegen Sie, welche Alternativen könnte es noch geben?
Konkret am Beispiel könnte das so aussehen:
Sie suchen einen weiteren Sachbearbeiter im Controlling. Der typische Mitarbeiter auf dieser Stelle ist vermutlich ein deutscher weißer Mann Ende 20 bis Anfang 50, der Vollzeit arbeitet. Vermutlich hat er eine kaufmännische Ausbildung und bereits einige Jahre Berufserfahrung.
Alternativ könnte es jedoch vielleicht auch eine andere Person sein, die den Job gut machen könnte. Diese drei Candidate Personas sind naheliegend:
- Ein/e AbsolventIn, Mitte bis Ende 20, hat gerade ein Bachelor-Studium in einem passenden Fach abgeschlossen, und sucht eine erste Stelle nach dem Studium
- Ein/e Studien-AbbrecherIn, Anfang bis Mitte 20, Fachbereich BWL, VWL und ggf. Mathematik, der bei Ihnen Praxis-orientierter arbeitet und ggf. über ein duales Studium neu durchstarten könnte
- Eine Person mit BWL-Bachelor und Berufserfahrung im Controlling, Anfang bis Mitte 30
Bestimmt fallen Ihnen für Ihre offenen Positionen weitere Möglichkeiten ein. Und so haben Sie mehr als nur eine Candidate Persona, also mehrere mögliche Wunsch-Kandidaten. Listen Sie einfach alle Möglichkeiten auf.
3. Priorisierung der Ressourcen statt Gießkanne
Überlegen Sie weiter: Von welcher Zielgruppe finden sich viele potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten. Wo ist der Wettbewerb um die Kandidaten unkritisch? Wer ergänzt Ihr Unternehmen vielleicht ideal mit neuen Ideen und Erfahrungen? Und welche Zielgruppe könnte am besten im Team „andocken“, wer würde sich wohl fühlen und damit länger bleiben?
So finden Sie eine Priorisierung, welche Zielgruppe Sie intensiv verfolgen wollen – und können Ressourcen und Budget zielgenau verteilen. Im Beispiel sind es die grau hinterlegten Felder.
Candidate Persona | Alter | Wie viele potenzielle Kandidaten |
Wettbewerb um die Kandidaten
|
Passt ins Team
|
AbsolventIn | 25 – 30 |
++
|
Mittel
|
Ja
|
Studien-AbbrecherIn | 20 – 25 |
++
|
Niedrig
|
Ja
|
Person mit BWL-Bachelor und Berufserfahrung im Controlling | 30 – 35 | +++ | Hoch
|
Ja
|
4. Recruiting-Pool: wo stecken Ihre Wunsch-Kandidaten?
Sie haben sich mögliche Wunsch-Kandidaten „ausgedacht“. Wo finden und erreichen Sie diese jetzt? Vielleicht einfach die Liste erweitern – am Beispiel von vorhin könnte sie so aussehen:
Candidate Persona | Alter | Wie viele potenzielle Kandidaten |
Wettbewerb um die Kandidaten
|
Passt ins Team
|
Kanal, Netzwerk
|
AbsolventIn | 25 – 30 |
++
|
Mittel
|
Ja
|
Linkedin, Instagram
|
Studien-AbbrecherIn | 20 – 25 |
++
|
Niedrig
|
Ja
|
Karriereberatung der Uni, Instagram
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Person mit BWL-Bachelor und Berufserfahrung im Controlling | 30 – 35 | +++ | Hoch
|
Ja
|
Linkedin, Instagram, Facebook |
5. Kommunikation: Viele Wege führen nach Rom 😊
Perfekt – Sie haben die passenden Kanäle und Netzwerke gefunden, jetzt geht’s nur noch darum, wie Sie ansprechen: und zwar passend zur Zielgruppe und zu den Kanälen. Die Standard-Stellen-Anzeige wird weder passen noch zu einer Bewerbung führen.
Überlegen Sie hier:
- Bilder: Mit welchen Bildern und Motive wird die „Candidate Persona“ wirklich angesprochen
- Sprache & Formulierung: Wie formell oder informell wollen Sie kommunizieren, was passt zu Ihrem Unternehmen, der Zielgruppe und dem Kanal bzw. Netzwerk
- Inhalt: was muss wirklich in der Ausschreibung stehen, welche Informationen sind wichtige Vorteile für die einzelnen Candidate Personas
- Gestaltung: wie müsste z.B. eine Anzeige für Studienabbrecher aussehen, wie würde die Anzeige für eine ältere Zielgruppe aussehen – Gestaltungs-Profis können Ihnen hier bestens helfen!
Checken Sie auch die Kommunikationswege: wie meldet sich ein interessierter Mensch bei Ihnen – wen kann er einfach per Mail oder Whatsapp anschreiben, wen kann er anrufen. Und was brauchen Sie im ersten Schritt: erstmal nur ein Interesse und dann ein unverbindliches Gespräch? Oder gleich eine große Hürde in Form von Anschreiben, Lebenslauf, Zeugnisse?
Als letzten kleinen Hinweis zu Kommunikation: berücksichtigen Sie, dass die Menschen anders sind – älter, jünger, andere Mediennutzung und Rechtschreibung. Versuchen Sie, offen für die Alternativen zu bleiben und vermeiden Sie Auswahlfehler aufgrund von unbewussten Vorurteilen.
Sehen Sie – so einfach und nützlich kann der Diversity-Gedanke sein 😊
Warum wir Ihnen ideal helfen können
Sie haben gefühlt alles ausprobiert und die Stellenbesetzung pressiert wirklich? Dann sind wir Ihre idealen Sparringspartner. Denn wir wissen genau, wie wir die passende Candidate Persona für Sie entwickeln können. Darüber hinaus gelingt es uns auch, diese Personen zu finden, anzusprechen und erfolgreich zu überzeugen. Und für kleine Unternehmen oder Positionen mit geringeren Gehältern gibt’s natürlich auch passende Lösungen. Mail genügt!
Über die Autorin
Viktoria A. Balensiefen ist seit über 15 Jahren in der Personalberatung von Fach- und Führungskräften tätig. Als Betriebswirtin mit Ingenieurstudium hat sie ein Auge auf Zahlen und Prozesse. Und seit ihrer Kindheit dank der „Sendung mit der Maus“ dazu ein Faible für produzierende Unternehmen. Menschen zusammen zu bringen, um gemeinsam Größeres zu schaffen, ist ihre Leidenschaft. Die Geschäftsführerin der ideale Personalberatung GmbH in Bonn arbeitet vor allem für mittelständische Firmen in der DACH-Region.
Links
Markt und Mittelstand: 28.02.2018
https://www.marktundmittelstand.de/personal/der-mittelstand-entdeckt-das-thema-diversity-1265461/
Charta der Vielfalt e.V.
https://www.charta-der-vielfalt.de/diversity-verstehen-leben/diversity-dimensionen/
Oliver Wyman: Women in Procurement, August 2017
https://www.oliverwyman.de/our-expertise/insights/2017/sep/women-in-procurement.html
Prof. Dr. Gabriele Zimmermann, Institut für Versicherungswesen, TH Köln, März 2014
https://cos.bibl.th-koeln.de/frontdoor/deliver/index/docId/42/file/forschung_am_ivw_koeln_2_2014.pdf
Andris A. Zoltners, PK Sinha, Sally E. Lorimer, Tania Lennon und Emily Alexander, Harvard Business Review, Mai 2020
https://hbr.org/2020/05/why-women-are-the-future-of-b2b-sales
Oliver Brüß in der Versicherungswirtschaft heute, 27.09.2021
https://versicherungswirtschaft-heute.de/unternehmen-und-management/2021-09-27/sind-frauen-im-vertrieb-einfach-besser-gothaer-vorstand-oliver-bruess-stellt-in-der-kolumne-die-w-r-ichtigen-fragen/
McKinsey, Mirona Kraljic, 19.05.2020
https://www.mckinsey.de/news/presse/2020-05-19-diversity-wins
Mckinsey-Studie „Diversity Wins – How Inclusion Matters“, Mai 2020
https://www.mckinsey.de/~/media/mckinsey/locations/europe%20and%20middle%20east/deutschland/news/presse/2020/2020-05-19%20diversity%20wins/report%20diversity-wins-how-inclusion-matters%202020.pdf